Ulrich Teuffel Gitarrenbauer, Designer, Erfinder, Visionär
Wo bitte geht's in die Zukunft? Ist es überhaupt möglich, in Sachen Gitarrenbau noch einmal eine inhaltlich derart radikale Wende zu schaffen, wie sie seinerzeit Leo Fender vollzog, oder ist das Thema damit erledigt?

Ulrich Teuffel gibt seine ganz eigenen Antworten auf diese Fragen und die spiegeln sich in Designs, die abermals nach neuen Stilistiken, nach Inhalten jenseits der gewohnten Muster rufen. Auch bei Fender hat das bekanntlich eine gehörige Zeit gebraucht, bis z. B. die Möglichkeiten der Stratocaster vollends ausgelotet waren. Niemals hätte sich der alte Leo, Freund singender Cowboys, vorgestellt, was ein Jimi Hendrix später aus seinem Entwurf heraus zu holen in der Lage war. Es hätte ihn wohl auch gegraust und wer weiß, wenn es ihm in einem visionären Traum sichtbar geworden wäre, vielleicht hätte er das Teufelswerk verworfen.

Schon sind wir wieder beim Teuffel, denn der beruft sich in diesem inhaltlich offenen Sinne auf Leo Fender, anerkennt ihn als Vater der modernen visionären Gitarrenbaukunst und trotzt der partikularen Bauweise, die aus einzeln erstellten Elementen ein harmonisches Ganzes erschafft, seine ganz eigenen Ergebnisse ab. Wie bei Fender kann man nun mutmaßen, dass die Inhalte zum Instrument noch nicht in Gänze gefunden sind. Diese stille Ahnung erklärt wohl auch den Griff von Leuten wie Henry Kaiser, David Torn oder auch Page Hamilton von Helmet zu TeuffelInstrumenten wie der Birdfish oder Tesla, gehören diese Musiker doch zu den Suchenden, die sich nicht mit etablierten Klängen zufrieden geben. Dass aber auch mit traditioneller Bodenhaftung ein Schritt in die visionäre Zukunft zu tun möglich ist, beweist uns ZZ-Top-Gitarrist Billy Gibbons, der ebenfalls eine Birdfish besitzt, besser noch spielt.

kleiner exkurs
Liegt es an der besonderen Luft, an der urigen Umgebung, an den Spätzle mit Roschdbrade, oder warum sonst finden sich im Ländle Baden-Württemberg so viele erfindungsreiche und unternehmungslustige künstlerische Handwerker? Das ist doch scheinbar dort eine Brutstätte für die kreativen Gitarrenangelegenheiten. Schaun wir mal: Aus dem Nachbardorf vom Teuffel stammt der Reinhold Bogner, zur Werkstatt des Rainer Tausch reicht ein Katzensprung und auch Harrty Häussel arbeitet in der Umgebung. Nun, da ist dann natürlich noch der Günter Eyb, der Siggi Braun, der Andre Waldenmaier mit Staufer Guitars u.v.a.m. Motto: Schaffe, schaffe, Gitarre baue –Hund abschaffe selber belle! Ja, sie sind fleißig, wollen es absolut wissen und sind dafür auch bereit, Opfer zu bringen.

reset
Gehen wir aber zunächst noch einmal zurück, zeichnen die Entwicklung Ulrich Teuffels zu einer außergewöhnlichen Persönlichkeit seines Metiers nach, die inzwischen dank seiner hochgelobten und mit Preisen vielfach ausgezeichneten Kreationen zu den beeindruckendsten Erscheinungen in der Gitarrenwelt gezählt wird. Bei ihm treffen verschiedene Eigenschaften zusammen, die sich erst zusammen zu jenem Bild fügen, welches diesen Schwaben so bemerkenswert macht. Zum einen ist da die Freude am handwerklichen Tun, an der Arbeit mit Holz, die schon den jugendlichen Ulrich ermutigte, seine ersten Versuche im Gitarrenbau nach Büchern zu machen. Dennoch: Zuerst wird nach dem Abitur noch eine Lehre als Kfz-Schlosser mit Ziel Studium Maschinenbau absolviert, der er viele Techniken der Metallbearbeitung in Präzision verdankt. Dann aber folgt schon bald der Entschluss, sich im Gitarrenbau zu versuchen. Eine Werkstatt wird eingerichtet und ab etwa 1987 führt er vielfache Reparaturen aus, baut nach und nach an die 100 Gitarren und gewinnt so etwas wie lokales Renommee. Nach Jahren im konventionellen Feld wird ihm die Luft dort zu stickig, der Weg zu ausgetreten, erahnt er doch das immer noch existente, schlummernde Entwicklungspotenzial der E-Gitarre und sucht nach Kriterien der zeitgemäßen Erschließung. Um den Standpunkt der Betrachtung zu wechseln und den Kopf frei zu bekommen, nimmt er 1992 das Studium im Fach Produktdesign in Karlsruhe auf, was seine Sinne für neue sinnfällige Gestaltungsmöglichkeiten im Gitarrenbau nachhaltig öffnet. Durch die Übertragung neuer Denkweisen aus anderen ästhetischen Bereichen findet er zu einer eigenen Formsprache, aus der letztlich Instrumente wie Birdfish, Coco und Tesla entstehen.

philosophie & praxis
Eine Birdfish fällt nicht einfach so vom Himmel, bzw. watet plötzlich an Land, das ist wohl jedem klar. Allein der Name deutet ja schon auf einen starken gedanklichen Hintergrund hin. Ulrich Teuffel ist nun wirklich kein Gitarrenbauer von der konservativen Strickart, denn was er anfasst, ist Ergebnis eines inneren philosophischen Diskurses, der die aktuellen Zeitumstände, mehr noch die Zukunftsperspektiven gegen die traditionellen Muster und Bauweisen abwägt, um einerseits spielbare und gut klingende Gitarren zu bauen. Instrumente, die auf der anderen Seite aber zeichenhafte Offenheit demonstrieren, die nach neuen Inhalten verlangt. Dennoch spielt auch die konventionelle Klangerfahrung eine große Rolle, die Kenntnis von den Materialeigenschaften, welche z. B. in der modularen Bauweise der Birdfish zu einem optimalen Schwingungsbogen finden. Am Anfang der konstruktiven Überlegungen stand und steht also immer die Funktion und eine definierte Klangvorstellung, gefolgt von einer Zeit der Materialforschung für die optimale Schwingungsübertragung: „Aluminium klingt richtig gut". Die formale Gestaltung ist zwar wegen des selbst gesetzten hohen Anspruchs an die Fertigungsqualität größtenteils enorm aufwändig – etwa in Metallgusstechniken (Wachsausschmelzverfahren) und der detailversessenen Nachbearbeitung einzelner Werkstücke mittels Schleifen, Polieren und heute auch Verchromen nach einer Beschichtung mit Nickel, Kupfer und nochmals Nickel – bleibt aber grundsätzlich nachgeordnet.

Heute lässt sich Ulrich die großen Elemente Bird und Fish allerdings von einer Spezialfirma aus Aluminium-Blöcken per CNC-Fräse herausarbeiten, was aber dennoch viel kunstvolle Handarbeit (etwas drei Stunden Schleifen pro Teil plus Politur) bis zur vorbereiteten Fertigstellung für die Galvanisierung erfordert. Die kleineren Teile macht er allerdings immer noch selbst im Wachsaus-schmelzverfahren. Das spektakuläre Design und die hochwertige Materialveredelung verleihen dem Instrument dann letztlich seine besondere Zeichenhaftigkeit.

Die Birdfish, erstmals auf der Musikmesse in Frankfurt 1995 vorgestellt, bezeichnet Ulrich als „Bauchentwurf", der dann mit „lebendigem, holzartig archaischem Ton" seine eigenen Erwartungen übertraf. Teuffel: „Die Birdfish war und ist ein kulturelles Ereignis, etwas fürs Feuilleton und viele wollten sie dann darauf reduzieren nach dem Motto: UFO – wer braucht denn das? Niemand wollte glauben, dass die auch geil klingt. Ich musste jahrelang Geduld haben und die Leute das entdecken lassen."

modellpolitik
Modellpolitik? Dieser Begriff könnte etwas groß geraten sein für einen kleinen Gitarrenbauer, meinst du? Keineswegs, denn Ulrich Teuffel ist nun wirklich kein One Trick Pony. Von ihm gibt es nicht nur die Aufsehen erregende Birdfish, auch die Tesla mit ihrem sehr speziellen Hals/Korpus-Übergang fußt auf ein originäres, dabei hoch funktionales Konzept, „aber es ist nur eine verdammte Holzgitarre, eine Gitarrenbauergitarre mit Coolness". Und kaum ist in Spezialistenoder Sammlerkreisen gar der Name Coco erwähnt, so schaut man in glänzende Augen und ahnt die bedingungslose Bereitschaft, sich für eines der wenigen gebauten Exemplare spontan in Schulden zu stürzen. Ulrich Teuffel musste den Bau der dreidimensional gestalteten Coco, ein Instrument gitarrenbauerischer Alchemie dank der Verwendung von synthetischen akustischen Schaumwerkstoffen, leider einstellen, da er von den verwendeten Materialien eine Allergie bekam.

Die Birdfish baut Ulrich nur in einer limitierten Stückzahl von 500 Exemplaren und mehr als 200 sind bereits in der Welt. Da er von vorn bis hinten alles ganz alleine macht, braucht es schon noch eine geraume Zeit, bis das Limit erreicht ist. Dennoch setzt er sich selbst unter Zugzwang, denn natürlich gilt es, beizeiten ein würdiges Nachfolgemodell zu entwerfen. Das jedoch ist kein Grund zur Sorge, denn an Ideen mangelt es unserem Protagonisten beileibe nicht. Da schlummern schon einige Entwürfe in der Schublade, die wiederum auf typisch Teufflischen Gedanken fußen. So spricht der Meister: jeder gute Gitarrenbauer weiß, durch welche Konstruktion und mit welchen Materialien er einen bestimmten Klang erzeugen kann. Die Kunst liegt aber darin, dem Instrument neben dem Klang auch eine ganz bestimmte Erscheinung oder Wirkung zu geben. Ich begreife meine Instrumente als kategorisch. Dies bedeutet, dass jedes Instrument eine bestimmte zeichenhafte Bedeutung und Funktion im Popkomplex hat. Man kann dies mit der Kleidung, die wir tragen, vergleichen. Deren Wahl treffen wir sowohl nach ihrer Funktion, als auch nach dem modischen Ausdruck, zu dem wir uns dann bekennen. So wird man auch als Musiker sich entscheiden, welche Aussage man mit der Wahl seines Instruments treffen will.

zukunft
Ulrich Teuffel sucht ständig nach neuen Ideen die in der Lage sind, das Konzept E-Gitarre aus den Fallstricken der sich zunehmend verhärtenden Konventionen zu befreien. Obwohl es gute Gründe gibt, Gitarren sehr stark an die heute von vielen als ideal empfundenen Bauprinzipien und Design-Vorstellungen der 50er/60er Jahre anzulehnen, wenn nicht diese gar zu kopieren, so fühlt auf der anderen Seite der zeitgemäß denkende Gitarren-Designer geradezu die Verpflichtung, dieses doch so vitale Instrument nicht kampflos der grassierenden Vintage-Manie zu überlassen und in aktueller Entwickling zu halten, also fit zu machen für die Zukunft. Natürlich gehört unser Mann zu der nach vorn schauenden Spezies von Gitarrenbauern und so umtreiben ihn schon wieder neue Ideen zu funktional wie stilistisch fortschrittlichen Modelltypen.

Natürlich ist ihm nicht entgangen, welchen Stellenwert sein lediglich 23 mal gebautes Modell Coco inzwischen in Sammler- und Liebhaberkreisen erreicht hat und so arbeitet er an einem Nachfolgemodell, das allerdings nur die rasante Bodyform zitiert und ansonsten auf völlig anderen Materialien und Konstruktionsmerkmalen basiert. Das Modell wird Niwa heißen und entlehnt seinen Namen nicht ohne Grund der japanischen Steingarten-Kunst, denn der Holz-Body wird über eine entsprechend gestaltete Oberflächenstruktur verfügen.

Dann gibt es da auch noch ein Projekt in der Entwicklung — das Modell Cover, über das noch nicht viel geredet werden soll, da nicht klar ist, wann und wie es realisiert wird. Nur so viel: Vom Konzept her tritt dieses eher einfach gestaltete Modell mit einer bisher nicht gekannten äußeren Wandlungsfähigkeit an, ein vollkommen anpassungsfähiges Chamäleon also, das dazu auch noch über eine Schwingungsentkoppelung vom Spieler durch den Einschluss des Korpus in wechselbare Schalen verfügt und darüber hinaus noch mit einer besonderen Transportfreundlichkeit aufwartet. Weitere Infos und den Stand der Dinge erfährt man über www.teuffel.com.

Im rastlosen Kopf des Ulrich Teuffel geistert ebenfalls bereits das noch nicht näher definierte Bild einer, wie er es nennt Blin-BlingGitarre herum, einer Gitarre also, die in ihrer Signalwirkung von der schwarzen HipHopSoul-Bewegung inspiriert ist und auf eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet sein wird. Auf die Frage, ob das nicht eine sehr formale und weniger inhaltliche Herangehensweise ist, antwortet Ulrich: „Inhaltlich gibt es für mich nicht mehr viel zu ändern bei der Gitarre. Das war meine Erfahrung mit der Birdfish, die braucht man nicht wirklich. Die Gitarre ist für mich heute abgesteckt, der Markt hat sie als Archetyp konventionalisiert. Du kannst also eine Veränderung nicht mehr über das Gitarrenbauerische schaffen, das kann nur über was anderes passieren, über eine zusätzliche Aufladung. Parallel hab ich mein eigenes Klangideal so weit entwickelt, dass ich meine eigenen Gitarren auch nicht mehr anders klingen lassen will. Ich find die schön so." Und woran misst sich dann das Teuffelsche Klangideal? „Da höre ich die Flamenco-Gitarre, die für mich auch ohne Strom nach Jimi Hendrix klingt. Dieses Röhrende, Heisere, Bauchige, dieser quälende Ton, der in der Wunde bohrt." So oder so – man darf unbedingt gespannt sein, womit Ulrich Teuffel uns als nächstes überraschen wird. Eins aber ist sicher: Es wird wieder ein Schritt nach vorn sein.

Story & Fotos
Franz Holtmann
 
Gitarre und Bass 06/2006